In welchem Licht siehst du dich und andere?
Es ist alles eine Frage des Lichts. Die Qualität des Lichts entscheidet darüber, wie wir uns fühlen, wie wir uns sehen und wie wir unsere Mitmenschen wahrnehmen.
Denk mal kurz an das kalte Neonlicht in Fahrstühlen. Ein unbarmherziges Licht von oben, das lange, dunkle Schlagschatten unter der Nase wirft. Oder das Licht in verspiegelten Umkleidekabinen, das unnachgiebig alle Seiten von uns beleuchtet.
Die Alternative … dein letzter Spa-Besuch, oder auch ein gemütliches Dinner in einem schönen Restaurant. Kerzenschein und gedimmtes, indirektes Licht, das manches hervorhebt und anderes in geheimnisvollen Schatten hüllt. Ein Licht, das uns gut fühlen lässt, das wohl tut, das neugierig macht, was sich im Schatten verbirgt.
Oft neigen wir rationale Berufsmenschen dazu, ein grelles Scheinwerfer- oder Neonlicht anzuwerfen. Laserscharf durchleuchten wir uns und andere bis in den letzten Winkel.
Wir richten unsere inneren Scheinwerfer gezielt auf das, was “falsch” läuft bei uns und anderen und gehen direkt in die Beurteilung.
Auch im Coaching gibt es Momente, wo man genau hinschauen muss. Wir dürfen aber auch unseren Blick sanfter und menschlicher machen. Schließlich operieren wir nicht am offenen Herzen, sondern dürfen auch menschliches Schattenspiel zulassen. Denn gerade Schatten sind es, die den anderen oft Kontur geben und interessant machen.
Was wäre, wenn wir die Welt um uns herum einfach mal bewusst sanfter sehen würden?
Wenn wir nicht alles um uns herum analytisch durchleuchten und im grellen Scheinwerferlicht anschauen? Wenn wir unsere Mitmenschen im warmen Licht einer Kerze betrachten würden, in der Annahme, dass sie von Grunde auf gut und richtig sind?
Klar: Im Kerzenlicht gibt es auch Schatten. Manche Seiten bleiben sogar ganz verborgen. Die Konturen sind unscharf und es fehlt das große, ganze Bild. Doch gleichzeitig zaubert es eine wohlig warme Atmosphäre, die Geborgenheit und Ruhe ausstrahlt. Es spricht uns Menschen an, macht neugierig und schafft eine besondere Nähe und Verbindung.
Unsere KlientInnen kommen nicht zu uns als Coaches mit dem Ziel, alle Schatten vollständig zu durchleuchten und schattenfrei wieder rauszugehen. Sie wünschen sich, ihre persönlichen Schattenseiten bewusster wahrzunehmen, sie anzunehmen und vielleicht sogar eine gewisse Schönheit darin zu entdecken.
Es sind nicht wir als Coaches, die ungefragt unsere Scheinwerfer auf diese Stellen richten sollten.
Lass deine KundInnen entscheiden, wo sie ihre Schatten noch näher beleuchten möchten, und wo sie vielleicht andere Dinge im Schatten behalten wollen.
Übung: Kultiviere dein Kerzenlicht-Bewusstsein
Mach diese Übung an einem ruhigen Ort, an dem du dich wohl fühlst. Ich setze mich dafür gern in einen bequemen Sessel bei mir zuhause. Zünde eine Kerze an, leg dir Stift und Zettel zur Seite und nimm dir ein paar Minuten Zeit, das sanft flackernde Licht der Flamme wahrzunehmen.
Ich möchte dich nun einladen, dich zu fragen:
- Welche Züge und Eigenschaften an dir leuchten in diesem sanften Kerzenlicht besonders hell?
- Wo entdeckst du Schatten, die dir Kontur und Tiefe geben?
- Welche Schatten willst du gern sanft und liebevoll mit einem weiteren kleinen Licht beleuchten? Wo möchtest du gern genauer hinschauen?
- Kannst du in Selbstliebe und Wohlwollen auf dich selbst mit all deinen Licht- und Schattenseiten schauen?
Nun richte deinen Blick auf deine Rolle als Coach und frage dich:
- Welche Art von Licht willst du im Coaching nutzen?
- In welchem Licht begegnest du deinen KlientInnen im Coaching?
- Wie oft betrachtest du andere in Kerzenlicht und wie oft im Neonlicht?
- Wie oft bzw. bei wem möchtest du das gern ändern?
Schreib deine Erkenntnisse auf und bewahre sie an einem Ort, an dem du sie wieder findest. Ich mache diese Übung besonders gern am Jahresanfang. Spannend ist, was sich über die Zeit verändert hat – an deiner Sicht auf dich selbst und an deinem Licht als Coach.
Ich wünsche dir viel Freude und wohlwollende Entdeckungsmomente.