Das Herbst-Multilemma
Vielschichtigkeit entdecken, statt sich zu entscheiden
Oft spüren wir in uns Gegensätze, die uns hin- und herziehen – als ob wir wählen müssten zwischen „entweder“ und „oder“. Nicht immer sind es Entscheidungen, die anstehen, aber Stimmungen, die sich ihren Weg bahnen:
- Eine Sehnsucht nach Veränderung und Angst vor dem Unbekannten.
- Einen Wunsch nach Rückzug und nach Gestaltung.
- Eine leise Müdigkeit und ein Kribbeln von Ideen.
Doch was, wenn genau darin, in diesem scheinbaren Widerspruch, eine ganz neue Stärke liegt?
Der Herbst zeigt es uns auf wunderschöne Weise: Er ist Sonne und Sturm, Klarheit und Nebel – und genau das macht ihn so faszinierend. Der Herbst möchte dich auch einladen, mal ganz bewusst mit deinen inneren Gegensätzen zu spielen, statt sie auflösen zu wollen.
Dazu habe ich das bekannte Multilemma-Tool einmal anders – herbstlich – gedacht. Als eine Wertschätzungsreise durch deine inneren Stimmen und Stimmungen. Nicht als Entscheidungshilfe, aber als Perspektiv-Öffner.
Das Multilemma als Reflexionsreise
Welche Stimmungen und scheinbaren Gegensätze spürst du gerade in dir? Welche Widersprüche treiben dich um und bewegen dich?

Entscheidungs-Tool im lösungsorientierten Kurzzeitcoaching
Beispiel: Weiter so mit Power – oder doch mal innehalten?
Vielleicht waren die letzten Monate beruflich ziemlich intensiv. Ob als Führungskraft im Unternehmen oder als Selbständige auf deinem eigenen Entwicklungsweg – du hast viel bewegt. Strategien geschärft, neue Formate probiert, Entscheidungen getroffen, vielleicht sogar Grenzen verschoben.
Viel hast du geschafft. Und manchmal vielleicht auch: zu viel.
Du wolltest etwas gestalten – und jetzt spürst du, dass du nur noch gestaltet wirst?
Da ist sie plötzlich, diese zarte Stimme:
„Einfach weitermachen – wird schon wieder…“
Oder die andere:
„Ich will einfach mal raus. Rückzug. Atmen. Stille.“
Und vielleicht schwankst du gerade zwischen diesen beiden Polen.
- Ein Teil in dir will zur Ruhe kommen.
- Ein anderer Teil hat tausend neue Ideen.
Was nun? Weiterlaufen? Innehalten? Noch mal umplanen?
Oder einfach mal spüren, was alles gleichzeitig da sein darf?
Deine innere Herbst-Aufstellung
Ich lade dich ein, mit dem Herbst-Multilemma auf eine kleine innere Herbstreise zu gehen. Nicht, um dich entscheiden zu müssen, sondern um die Kraft all dieser Stimmungen und Gedanken zu entdecken.
Schaff dir deinen Herbst-Raum – in Gedanken, auf einem Blatt Papier oder suche dir einen konkreten Ort. Dann geht es los:
Position 1: Das Eine
Beispiel: “Ich sehne mich nach Rückzug und Ruhe.”
Stell dich (gedanklich oder körperlich) an einen Ort, der diese Seite in dir würdigt. Entdecke diese Seite an dir mit folgenden Impulsfragen:
- Was ist das Gute daran?
- Wozu lädt dich diese Seite ein?
- Welche Qualitäten bringt sie mit?
Position 2: Das Andere
Beispiel: “Ich hab Lust auf Aufbruch und neue Ideen.”
Wechsle dann den Ort, gib dieser Energie Raum und stell dir folgende Fragen:
- Was ist das Attraktive an dieser Energie?
- Was will sie in Bewegung bringen?
- Welche Hoffnung steckt darin?
Position 3: Sowohl – als auch
Jetzt kommt der magische Punkt: der Platz, an dem beide Seiten gleichzeitig da sein dürfen. Welcher Name dafür fällt dir spontan ein? Nun stell dir auch hier Fragen, die dich tiefer bringen:
- Wie könnte ein Alltag aussehen, in dem beides Platz hat?
- Wie stimmig fühlt sich das gerade an?
- Was entsteht, wenn du nichts auflösen musst, sondern würdigst?
Position 4: Weder – noch
Manchmal darf es auch ein „Ich steige aus“ sein. Weder pushen, noch pausieren. Einfach sein.
- Wer bist du, wenn du nichts davon verfolgen musst?
- Welche neue Sicht öffnet sich aus diesem Freiraum?
Position 5: All das – und auch das nicht
Und zuletzt: Der Punkt, an dem du dich aus der Ambivalenz löst und nochmal ganz neu drauf schaust: Was wäre, wenn es einen ganz anderen Raum gäbe?
Als würde der Herbst alle Blätter tanzen lassen und dich an einen ganz anderen Ort tragen, an den du jetzt noch gar nicht gedacht hast.
- Welcher Impuls entsteht gerade jetzt in dir?
- Was überrascht dich gerade in farbenfroher Klarheit?
Abschluss
Und jetzt lass all die Erkenntnisse wirken.
Welche Herbst-Erkenntnis ist jetzt gerade am nützlichsten für dich und deinen Weg?
Mini-Übung für für deinen nächsten Herbstspaziergang
Gedanken sortieren zwischen Rascheln und Licht
Wenn dir gerade nach etwas weniger Schreibtisch und mehr frischer Luft ist, dann mach doch diese kleine Reflexionsübung bei deinem nächsten Spaziergang. Sie braucht keine Vorbereitung – nur dich, den Wald und ein bisschen Neugier.
So geht’s:
- Such dir fünf Orte im Wald, die dich intuitiv ansprechen. Vielleicht ein Moosbett, ein Baumstamm, eine Lichtung, eine Wegkreuzung, ein Blätterhaufen…
- Ordne jedem Ort eine innere Stimme zu – ganz im Sinne des Herbst-Multilemma:
- Verweile an jedem Ort.
Stell dich hin. Atme. Spür. Nimm die Fragen zur Hand oder hör auf deine eigenen Fragen: -
-
- Was sagt mir diese Seite?
- Was will sie mir zeigen?
- Welche Qualität wohnt ihr inne?
-
- Nimm nichts mit – außer einem Gedanken oder Gefühl.
Wenn du magst, sammle ein Blatt, einen kleinen Ast oder einen Stein pro Station – als Symbol für deine innere Reise. - Am Ende deines Weges:
Welche Erkenntnis begleitet dich zurück?
Was darf wachsen? Was darf ruhen?
Deine Coachingfrage für den Rückweg:
„Welcher kleine Schritt würdigt gerade alles, was ich bin – ohne dass ich mich entscheiden muss?“
Fazit: Mehr Raum statt mehr Klarheit
Manchmal entsteht Klarheit, wenn wir mehr Raum schaffen für alles, was in uns ist. Der Herbst lädt uns genau dazu ein.
Denn nicht immer braucht es eine Entscheidung. Manchmal reicht ein tiefer Atemzug, um Raum in dir zu schaffen. Und ein JA zu allem, was gleichzeitig in dir mitschwingt.